zurück zur Startseite


HOME
Leseproben
SozSys 5 (1999), H.1
Fußnoten

 
Wie der Überfluß flüssig wurde. Zur Geschichte und zur Zukunft der knappen Ressourcen - Michael Hutter

(1) Die Entparadoxierung des "Paradox der Knappheit des Überflusses" (Luhmann 1988, 203) gelang im Kontext der wissenschaftlichen Beschreibung erst durch die soziale Differenzierung von Angebot und Nachfrage. "Wenn die Differenz von Angebot und Nachfrage etabliert ist, kann auch das Paradox der Einheit wiedererscheinen – freilich nicht mehr als Paradox, sondern in gereinigter Form: als f GleichgewichtQ von Angebot und Nachfrage. Und daran richtet sich dann die ökonomische Theorie auf". (204)

(2) Der dazugehörige Gott war Hermes. Auch er galt als periphere Figur der Götterwelt: "As a god, Hermes was a marginal figure known for his "skill at the oath", that is to say, his ability to manipulate the literalism that others brought to transactions bound by kinship or familial honor." (Agnew 1986, 20) Das Wort für Eid, horkus, leitet sich seinerseits von "Umzäunung" ab.

(3) Wenig später, im 12. Jahrhundert taucht das Wort "market" in der englischen Sprache auf (vgl. Agnew 1986, 41).

(4) Allein die englische Krone erteilte zwischen 1198 und 1583 etwa 2800 market charters (Bolton 1980, 286).

(5) Vgl. dazu Luhmann 1988, 188 und seine Anmerkung, daß älteste Gesellschaften wohl ohne Knappheit gelebt haben.

(6) "Im ganzen Königreich herrscht großer Geldmangel, sodaß sich keiner auf irgendeine Zahlung verlassen oder Geld, das ihm gebührt, erhalten kann." (Parker 1983, 337)

(7) Vgl. zur Funktion der Ambiguität bei der Durchsetzung evolutionärer Variationen Hutter 1993.

(8) Vgl. zur Bankentätigkeit Baecker 1991.

(9) Gestützt auf ein "Gutachten" von John Locke, wonach der extrinsische Wert von Silbermünzen ihrem intrinsischem Wert entsprechen müsse, ließ das Parlament 1694 den gesamten Bestand an Silbermünzen einschmelzen und neu ausmünzen. Dadurch fiel die Geldmenge binnen eines halben Jahres um die Hälfte (Applebee 1978, 235).

(10)Die Situation in anderen europäischen Ländern sah natürlich erst deutlich später ähnlich aus. Dabei sind die Verzögerungsgründe in Spanien/Österreich, Italien, Frankreich, Deutschland und Skandinavien jeweils sehr spezifisch.

(11) Dazu schreibt Luhmann (1988, 200): "Die Banken übernehmen die Paradoxie von Knappheit und Überfluß in die eigene Regie … Die Paradoxie der Knappheit taucht wieder auf und wird auf eine organisatorische Differenz umgelegt."

(12) Mit der internalisierten Geldversorgung ändert sich auch die Bedeutung des Begriffs "Liquidität". Die mittelalterliche Vorstellung ging davon aus, daß durch Geldwerte eine aufgelaufene Schuld gelöst, also liquidiert werden konnte. Die Liquidität wurde einem Bestand zugerechnet (Agnew 1986, 44). Die neuzeitliche Vorstellung sieht Liquidität als ein Maß der Geschwindigkeit, mit der Geldwerte in Zahlungsform und damit in Fluß gebracht werden können.

(13) Agnew, der den Prozess der subtilen Veränderung von Worten und Bezeichnungen zwischen 1550 und 1750 untersuchte, weist darauf hin, daß sich um 1700 die Bedeutung von "to deal" wandelte vom schlichten Austeilen von etwas (dealing cards) zum Abschliessen von Verhandlungen. "It was as if the new rules of indifference governing the placeless market had inspired a compensatory impulse to personalize the popular understanding of the commodity transaction. ... the juridical test of a contract (like the literary sense of a "deal") increasingly focused on evidence of a "meeting of minds," to the neglect of earlier preoccupations with the physical delivery or transfer of goods or property. Contracts ... now looked to a future unsecured by the repetitive operations of ritual or the recognizable imprimaturs of kin and clan." (Agnew 1986, 82).

(14) Der Eindruck des Überflusses, der sich dem Abweichen von der inneren Logik der stationären Haushaltswirtschaft verdankt, ist deutlich unterschieden vom inszenierten Überfluß der modernen Kaufhäuser, durch den der Käufer dazu gebracht werden soll, die Begrenztheit der eigenen Zahlungsmittel zu unterschätzen.

(15) Lange Zeit blieb unklar, wie sich denn das, was da als Differenz zwischen der ersten und der zweiten Geldsumme auftaucht, benennen liesse. Der dafür verwendete Ausdruck war erst "commodity" – also ein Wort, das vage "Vorteil" ausdrückt. "Commodity" wanderte später auf die Seite der Fremdreferenz und wurde zur Bezeichnung von marktfähigen Gütern, während "profit" zum gängigen Begriff für den gewonnenen Vorteil wurde (Agnew 1986, 78).

(16) Das Zeichen "Ø " symbolisiert den "Spencer Brownschen Haken", mit dem die Innenseite einer Unterscheidung (marked space) von ihrer Außenseite (unmarked space) getrennt wird.

(17) Das Umklappen der Unterscheidung ist ein anderer Vorgang als re-entry. Beim Umklappen wird nicht eine Unterscheidung in das Unterschiedene wiedereingeführt, sondern die Außenseite der Unterscheidung wird zu ihrer Innenseite, und umgekehrt. Die Außenseite der 2-Seiten-Form entsteht, weil sich die Unterscheidung des marked space im unmarked space ihr eigenes Medium und damit eine eigene, hochspezifische Umwelt schafft.

(18) Ein deutliches Beispiel liefert die Kunstszene, in der dauernd der die Werke verändernde Effekt der Wirtschaftscodierung diskutiert wird.

 

zum Seitenanfang