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Hefte
SozSys 6 (2000), H.1
Zusammenfassungen

 

Zusammenfassungen

Jörg Stolz:
Die evangelikale Bekehrung in systemtheoretischer Sicht

Zusammenfassung: Der Beitrag legt eine systemtheoretische Beschreibung des evangelikalen Bekehrungsgeschehens vor. Bekehrung wird dabei als institutionalisierter Beitrittsvorgang zu einem sozialen System angesehen; der ablaufende Prozess wird mit einer grösseren Anzahl weiterer theoretischer Begriffe, nämlich System/Umwelt, Funktion, Kommunikation/ Bewusstsein, Sozialisation, Rolle, institutionalisierte Bekehrungserzählung beschrieben. Durch ein solches theoretisches Vorgehen können verschiedene theoretische Probleme, nämlich die Frage des Objekts, des Ausmaßes, der Determinanten sowie der kausalen Zurechnung des Wandels, besser als bisher gelöst werden.

Dirk Baecker:
Ausgangspunkte einer soziologischen Managementlehre

Zusammenfassung: Der Aufsatz schlägt vor, eine soziologische Managementlehre auf der Grundlage der vier Basisunterscheidungen System/Umwelt, Form/Medium, Operation/Beobachtung und Variation/Selektion/Retention zu erarbeiten. Wir sprechen von einer "soziologischen" Managementlehre, weil wir mit einem Grundverständnis des Managements als Kommunikation starten. Die Managementlehre arbeitet mit vier Systemreferenzen: Betrieb, Wirtschaft, Individuum und Gesellschaft und versucht ein Gefühl dafür zu vermitteln, daß jede einzelne Managemententscheidungen mit diesen vier (und weiteren) Referenzen gleichermaßen "rechnet". Im Mittelpunkt des Aufsatzes steht eine mögliche "Pragmatik" des Managements, die durch die Begriffe der local action, des intelligenten Netzwerks, des komplexen Systems und der organisationalen Strategie beschrieben wird. Management, so die These, nimmt mehr oder minder innovative Optionen im Spannungsfeld von Betrieb, Kommunikation, Kultur, Technik und Gesellschaft wahr.

Cornelia Bohn:
Kleidung als Kommunikationsmedium

Zusammenfassung: Der Beitrag entwirft eine Skizze für die soziologische Konstruktion des Gegenstandes Kleidung. Kleidung wird nicht wie üblicherweise als materiale Kultur oder als ostentativer Konsum aufgefaßt, sondern als Kommunikation, d.h. als vestimentäre Operation. Deren symbolische Eigenständigkeit schafft eine Indifferenzzone gegenüber dem Körper und in besonderen Fällen gegenüber der Person. Die Untersuchung kann zeigen, daß sich vestimentäre Praktiken mit der Differenzierungsform der Gesellschaft verändern. Während sich Kleider(ver)ordnungen der stratifizierten Gesellschaft redundant und fungibel gegenüber der Sozialstruktur verhalten, bildet sich in einer entwickelten Kultur der äußeren Erscheinung ein eigenes Universum des Kommunikationsmediums Kleidung aus. Es verfügt über einen Code, Programme symbiotische Symbole und ein eigenes Gedächtnis. Anlässe für jene Autonomisierungstendenzen sind eine mit der Stadtentwicklung sich herausbildende Öffentlichkeit, Geldwirtschaft unter Marktbedingungen, sowie Mode als Reflexionsthema der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung.

Thomas Kurtz:
Moderne Professionen und gesellschaftliche Kommunikation

Zusammenfassung: Entlang einer gesellschaftstheoretischen Beschreibungsfolie wird in diesem Aufsatz danach gefragt, in welcher Art und Weise Professionen dem Kommunikationsgeschehen von Funktionssystemen eine je eigene Form geben. Professionen sind allerdings nicht in jedem gesellschaftlichen Teilbereich in Erscheinung getreten, sondern nur in denen, die sich auf die Bearbeitung von Inklusionsproblemen spezialisiert haben. Dies sind das Erziehungssystem, das System der Krankenbehandlung, das Rechtssystem und das Religionssystem. Interessanterweise handelt es sich dabei um genau die Systeme, welche zur Fortführung teilsystemspezifischer Kommunikationsmöglichkeiten nicht auf ein eigenes symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium verweisen können. In diesen Systemen muß der jeweils positive Wert der Leitunterscheidung des Funktionssystems in der professionell betreuten Interaktion unter Anwesenden erarbeitet werden.

Niklas Luhmann:
Das Medium der Religion. Eine soziologische Betrachtung über Gott und die Seelen
(Vollständiger Aufsatz als PDF-Datei)

Zusammenfassung: Der Text verwendet die allgemeine Unterscheidung von Medium und Form, um nach einem besonderen Medium der Religion zu fragen. Eine für Hochkulturen überzeugende Antwort wird in der Unterscheidung zwischen Gott und den Seelen gesucht. Der Einsatz dieser Unterscheidung in der religiösen Kommunikation hat sämtliche Fragen nach der Lebensführung mit Blick auf das Schicksal der Seele nach dem Tode kontingent gesetzt und unter religiösen Vorzeichen mobilisiert. Auf diese Weise war eine lose gekoppelte Menge von Möglichkeiten und mit ihr ein mediales Substrat ausdifferenziert worden, das in den Entscheidungen der Lebensführung immer wieder auf feste, aber instabil bleibende Formen gebracht werden konnte. Während damit ältere Medien der Religion und unter ihnen vor allem die irritierende Offenheit von Trancezuständen sowie ihre Sublimation zu den Figuren der Prophetie und schließlich des Heiligen Geistes zunächst einmal abgehängt waren, scheint in der modernen Gesellschaft auch dieses neuere Medium der Religion an die Grenzen seiner Reproduzierbarkeit zu stoßen, weil weder die säkularisierte Alltagsmoral dieser Gesellschaft noch ihre Inklusionsordnung zur Bildung von Formen in diesem Medium beitragen.

Armin Nassehi:
Theorie und Methode. Keine Replik auf, sondern eine Ergänzung zu C. Besio und A. Pronzini

[kein Abstract]

Peter Sloterdijk:
Der Anwalt des Teufels. Niklas Luhmann und der Egoismus der Systeme

Zusammenfassung: Der Text möchte vorführen, daß die Systemtheorie Niklas Luhmanns eine semantische Großzäsur bezeichnet, und dies in dem Sinne, daß jede weitere Theorie daran zu messen sein wird, ob sie durch die Lektion dieser Theorie hindurch gegangen ist. Um den Gehalt dieser Lektion zu identifizieren, wird die Systemtheorie in eine moral- und metaphysikgeschichtliche Perspektive eingeordnet, in der ihre eigentümliche Leistung als Differenzierung von Selbstreferenz und moralischer Codierung erscheint. Selbstreferenz wird nicht mehr im Code der Moral als Sünde oder als Egoismus beschrieben, sie gilt vielmehr als unausweichliche Grundstruktur von Menschen un d schließlich von operativ geschlossenen Systemen schlechthin. Entsprechend erscheint die Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz als eine Form der Unterbrechung von (reiner) Selbstreferenz, die für Sinnsysteme psychischer und sozialer Art ihrerseits unausweichlich ist. In der Perspektive einer philosophische Anthropologie wird dies als eine Dekulpabilisierung des Menschen nachgezeichnet, die in ihren Konsequenzen nicht nur den Zusammenhang von Moral und Anthropologie revolutioniert, sondern beispielsweise auch den Ironiebegriff auf neuartige (kybernetische) Grundlagen stellt.

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