Zusammenfassungen
Jörg Stolz:
Die evangelikale Bekehrung in systemtheoretischer Sicht
Zusammenfassung: Der Beitrag legt eine systemtheoretische Beschreibung
des evangelikalen Bekehrungsgeschehens vor. Bekehrung wird dabei
als institutionalisierter Beitrittsvorgang zu einem sozialen System
angesehen; der ablaufende Prozess wird mit einer grösseren Anzahl
weiterer theoretischer Begriffe, nämlich System/Umwelt, Funktion,
Kommunikation/ Bewusstsein, Sozialisation, Rolle, institutionalisierte
Bekehrungserzählung beschrieben. Durch ein solches theoretisches
Vorgehen können verschiedene theoretische Probleme, nämlich die
Frage des Objekts, des Ausmaßes, der Determinanten sowie der kausalen
Zurechnung des Wandels, besser als bisher gelöst werden.
Dirk Baecker:
Ausgangspunkte einer soziologischen Managementlehre
Zusammenfassung: Der Aufsatz schlägt vor, eine soziologische Managementlehre
auf der Grundlage der vier Basisunterscheidungen System/Umwelt,
Form/Medium, Operation/Beobachtung und Variation/Selektion/Retention
zu erarbeiten. Wir sprechen von einer "soziologischen" Managementlehre,
weil wir mit einem Grundverständnis des Managements als Kommunikation
starten. Die Managementlehre arbeitet mit vier Systemreferenzen:
Betrieb, Wirtschaft, Individuum und Gesellschaft und versucht ein
Gefühl dafür zu vermitteln, daß jede einzelne Managemententscheidungen
mit diesen vier (und weiteren) Referenzen gleichermaßen "rechnet".
Im Mittelpunkt des Aufsatzes steht eine mögliche "Pragmatik" des
Managements, die durch die Begriffe der local action, des intelligenten
Netzwerks, des komplexen Systems und der organisationalen Strategie
beschrieben wird. Management, so die These, nimmt mehr oder minder
innovative Optionen im Spannungsfeld von Betrieb, Kommunikation,
Kultur, Technik und Gesellschaft wahr.
Cornelia Bohn:
Kleidung als Kommunikationsmedium
Zusammenfassung: Der Beitrag entwirft eine Skizze für die soziologische
Konstruktion des Gegenstandes Kleidung. Kleidung wird nicht wie
üblicherweise als materiale Kultur oder als ostentativer Konsum
aufgefaßt, sondern als Kommunikation, d.h. als vestimentäre Operation.
Deren symbolische Eigenständigkeit schafft eine Indifferenzzone
gegenüber dem Körper und in besonderen Fällen gegenüber der Person.
Die Untersuchung kann zeigen, daß sich vestimentäre Praktiken mit
der Differenzierungsform der Gesellschaft verändern. Während sich
Kleider(ver)ordnungen der stratifizierten Gesellschaft redundant
und fungibel gegenüber der Sozialstruktur verhalten, bildet sich
in einer entwickelten Kultur der äußeren Erscheinung ein eigenes
Universum des Kommunikationsmediums Kleidung aus. Es verfügt über
einen Code, Programme symbiotische Symbole und ein eigenes Gedächtnis.
Anlässe für jene Autonomisierungstendenzen sind eine mit der Stadtentwicklung
sich herausbildende Öffentlichkeit, Geldwirtschaft unter Marktbedingungen,
sowie Mode als Reflexionsthema der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung.
Thomas Kurtz:
Moderne Professionen und gesellschaftliche Kommunikation
Zusammenfassung: Entlang einer gesellschaftstheoretischen Beschreibungsfolie
wird in diesem Aufsatz danach gefragt, in welcher Art und Weise
Professionen dem Kommunikationsgeschehen von Funktionssystemen eine
je eigene Form geben. Professionen sind allerdings nicht in jedem
gesellschaftlichen Teilbereich in Erscheinung getreten, sondern
nur in denen, die sich auf die Bearbeitung von Inklusionsproblemen
spezialisiert haben. Dies sind das Erziehungssystem, das System
der Krankenbehandlung, das Rechtssystem und das Religionssystem.
Interessanterweise handelt es sich dabei um genau die Systeme, welche
zur Fortführung teilsystemspezifischer Kommunikationsmöglichkeiten
nicht auf ein eigenes symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium
verweisen können. In diesen Systemen muß der jeweils positive Wert
der Leitunterscheidung des Funktionssystems in der professionell
betreuten Interaktion unter Anwesenden erarbeitet werden.
Zusammenfassung: Der Text verwendet die allgemeine Unterscheidung
von Medium und Form, um nach einem besonderen Medium der Religion
zu fragen. Eine für Hochkulturen überzeugende Antwort wird in der
Unterscheidung zwischen Gott und den Seelen gesucht. Der Einsatz
dieser Unterscheidung in der religiösen Kommunikation hat sämtliche
Fragen nach der Lebensführung mit Blick auf das Schicksal der Seele
nach dem Tode kontingent gesetzt und unter religiösen Vorzeichen
mobilisiert. Auf diese Weise war eine lose gekoppelte Menge von
Möglichkeiten und mit ihr ein mediales Substrat ausdifferenziert
worden, das in den Entscheidungen der Lebensführung immer wieder
auf feste, aber instabil bleibende Formen gebracht werden konnte.
Während damit ältere Medien der Religion und unter ihnen vor allem
die irritierende Offenheit von Trancezuständen sowie ihre Sublimation
zu den Figuren der Prophetie und schließlich des Heiligen Geistes
zunächst einmal abgehängt waren, scheint in der modernen Gesellschaft
auch dieses neuere Medium der Religion an die Grenzen seiner Reproduzierbarkeit
zu stoßen, weil weder die säkularisierte Alltagsmoral dieser Gesellschaft
noch ihre Inklusionsordnung zur Bildung von Formen in diesem Medium
beitragen.
Armin Nassehi:
Theorie und Methode. Keine Replik auf, sondern eine Ergänzung zu
C. Besio und A. Pronzini
[kein Abstract]
Peter Sloterdijk:
Der Anwalt des Teufels. Niklas Luhmann und der Egoismus der Systeme
Zusammenfassung: Der Text möchte vorführen, daß die Systemtheorie
Niklas Luhmanns eine semantische Großzäsur bezeichnet, und dies
in dem Sinne, daß jede weitere Theorie daran zu messen sein wird,
ob sie durch die Lektion dieser Theorie hindurch gegangen ist. Um
den Gehalt dieser Lektion zu identifizieren, wird die Systemtheorie
in eine moral- und metaphysikgeschichtliche Perspektive eingeordnet,
in der ihre eigentümliche Leistung als Differenzierung von Selbstreferenz
und moralischer Codierung erscheint. Selbstreferenz wird nicht mehr
im Code der Moral als Sünde oder als Egoismus beschrieben, sie gilt
vielmehr als unausweichliche Grundstruktur von Menschen un d schließlich
von operativ geschlossenen Systemen schlechthin. Entsprechend erscheint
die Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz als eine
Form der Unterbrechung von (reiner) Selbstreferenz, die für Sinnsysteme
psychischer und sozialer Art ihrerseits unausweichlich ist. In der
Perspektive einer philosophische Anthropologie wird dies als eine
Dekulpabilisierung des Menschen nachgezeichnet, die in ihren Konsequenzen
nicht nur den Zusammenhang von Moral und Anthropologie revolutioniert,
sondern beispielsweise auch den Ironiebegriff auf neuartige (kybernetische)
Grundlagen stellt.
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