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SozSys 17 (2011), H. 1
Zusammenfassungen

 

Zusammenfassungen

Niklas Luhmann,
Strukturauflösung durch Interaktion. Ein analytischer Bezugsrahmen

Die folgenden Überlegungen gehen von der Erkenntnis aus, dass mit der Wahl einer Systemreferenz alle anderen Systeme und deren Umwelten als Umwelt des Bezugssystems impliziert sind. Dies gilt auch für Interaktionssysteme, die sich stets in einer Umwelt anderer Systeme, seien es Personen oder andere Sozialsysteme, befinden. In ganz verschiedenen Kontexten trifft man immer wieder auf die Erwartung, dass eine gezielte Auflösung und Rekombination von Systemstrukturen möglich ist, wobei die Forcierung dieses Prozesses zur Sache eines Interaktionssystems wird, das sich auf die Systemänderung eines anderen Systems spezialisiert. Um zu verstehen, wieso Strukturen Änderungen Widerstand entgegensetzen, muss ein komplexitätstheoretisches Verständnis zugrunde gelegt werden: Ein System ist komplex in dem Sinne, dass es eine Vielzahl von qualitativ verschiedenartigen Elementen in nichtbeliebiger Weise verknüpft. Strukturauflösung heißt dann: Wiederherstellung des quantitativen Überschusses an Relationierungsmöglichkeiten. In dem Maße, als Strukturauflösung gelingt, wird die Aktivierung einzelner Relationen im System zur Sache externer, mit dem System nicht mehr abgestimmter Determination. Ob und unter welchen Voraussetzungen Strukturänderung durch Interaktionen möglich ist, hängt daher nicht nur von den Strukturen selbst ab, sondern auch von der Einwirkungskapazität des Interaktionssystems. Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind die eigene Temporalität des Interaktionssystems sowie die Kombination von Wahrnehmung und Kommunikation. Ob die Strukturauflösung durch die Interaktion trotz ihrer beschränkten Systemkomplexität selbst thematisiert werden kann, hängt einerseits davon ab, dass das Interaktionssystem besonderen Bedingungen (Professionalisierung, organisatorische Disziplinierung, Öffentlichkeit) unterliegt, und andererseits davon, dass das von Strukturauflösungen betroffene System in wesentlichen Hinsichten (Interdependenzformen, Geschichtslosigkeit) entgegenkommt, das heißt Strukturauflösung selbst ermöglicht.

Niklas Luhmann,
Structural Breakup by Interaction. An Analytical Frame of Reference

The starting point of the following considerations is the awareness that a choice of a systems reference implies that all other systems and their environment are the environment of the selected system. This also true for interaction systems which operate in the environment of other – personal or social – systems. In many different contexts one can find the expectation that a purposeful breakup and recombination of systemic structures is possible. It is argued that the promotion of this process is a matter of an interaction system that is specialized on the modification of other systems. To understand why system structures are resistant to changes first one must take a complexity conception of structures into account: a system is complex if it links a multiplicity of different elements in a specific way. The breakup of structures reconstitutes a quantitative spillover of relational possibilities. Structural breakup then means that the activation of individual relations in a system depends on an external determination which is not coordinated with the system itself. The possibilities of structural modifications by interactions depend not only on the structures themselves but also on the influence of the interaction system. The main requirements are the own temporal structure of the interaction system and its combination of perception and communication. The question wether the structural breakup can be picked up by the interaction system itself depends on the particular circumstances of the interaction system (professionalization, organizational regulation, publicity) on the one hand and on the fact that the modified system itself is predispositioned to a structural breakup in essential aspects (forms of interdependence, no history) on the other hand.

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Thomas Kurtz,
Der Professionsansatz von Niklas Luhmann

Während für Talcott Parsons der professionelle Komplex die bedeutendste Einzelstruktur in der modernen Gesellschaft darstellte, werden die Professionen heute nicht mehr als wichtiger Mechanismus gesellschaftlicher Strukturbildung angesehen – in den neueren Gesellschaftstheorien etwa tauchen sie gar nicht mehr auf. Eine Ausnahme bildet hier die Systemtheorie mit den Schriften von Rudolf Stichweh. Weniger bekannt ist, dass auch Niklas Luhmann insbesondere in den 1970er Jahren im Kontext der Entwicklung seiner Theorie der Gesellschaft ein Professionskonzept ausgearbeitet hat. Der Beitrag fragt dabei, was Luhmann unter Professionen verstand und wie und wo er sie in seine Theoriearchitektur eingebaut hat.

Thomas Kurtz,
Niklas Luhmann‘s Theory of Professions

For Talcott Parsons the professional complex was the most significant single structure in modern society, whereas today the professions are no longer interpreted as an important mechanism of social structure formation – therefore they are missing in recent theories of society. Systems theory, especially the work of Rudolf Stichweh is certainly an exception. Less known is that also Niklas Luhmann has developed a theoretical concept of the professions during the 1970ies in context of his theory of society. Regarding to that development this article discusses Luhmann‘s understanding of the professions and how and where he integrates them into his theoretical architecture.

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Juliane Riese,
Functions, communication, and perception of emotions in Luhmannian theory: Emotions as reflection resources of social systems

Um die in der bestehenden Literatur beschriebenen Effekte von Emotionen in der sozialen Sphäre in Luhmanns Theorie autopoietischer sozialer Systeme integrieren zu können, ist es notwendig zu zeigen, wie Emotionen – laut Luhmann psychische Phänomene – im Bereich des Sozialen relevant werden können, auch wenn nicht über sie kommuniziert wird. Der vorliegende Aufsatz nimmt Bezug auf Weinbachs Person/Habitus-Konstrukt und schlägt vor, dass Emotionen via die Adresse von „Personen“ kommuniziert und/oder via die Adresse von „Habitus“ wahrgenommen werden können, wobei sie in beiden Fällen soziale Relevanz erlangen. Emotionen dienen der Absicherung der Autopoiesis organischer, psychischer und sozialer Systeme. Sie stützen die Fortschreibung viabler sozialer Strukturen und regen die Veränderung solcher sozialer Strukturen an, die nicht mehr viabel erscheinen. Daher können sie als Reflexionsressourcen nicht nur psychischer, sondern auch sozialer Systeme gesehen werden. Diese Konzeptualisierung von Emotionen lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Körpern für das Soziale. Sie legt nahe, dass die Rolle der Emotionen zu idiosynkratisch ist, um Emotionen einem anderen Begriff wie dem der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien zu subsumieren. Sie eröffnet darüber hinaus zusätzliche Möglichkeiten der Integration der psychologischen und psychotherapeutischen Literatur in die Luhmannsche Theorie.

Juliane Riese,
Functions, Communication, and Perception of Emotions in Luhmannian Theory: Emotions as Reflection Resources of Social Systems

To integrate the social effects of emotions which have been described in the literature into Niklas Luhmann’s theory of autopoietic social systems, it is necessary to explain how emotions, which according to Luhmann are psychic phenomena, can become relevant in the social sphere even if no communication about them takes place. This paper makes use of Weinbach’s “person/habitus” construct and suggests that emotions can be communicated via the addresses of “persons” and/or perceived via the addresses of “habitus”. In both cases they become socially relevant. Emotions help to secure the autopoiesis of organic, psychic, and social systems. They support the maintenance of viable social structures and induce change of social structures which no longer seem viable. They can thus be seen as reflection resources not merely of psychic, but also of social systems. This conceptualization of emotions draws our attention to the importance of bodies for the social sphere. It suggests that the role of emotions is too complex and unique for them to be subsumed under a different concept such as that of symbolically generalized communication media. It further opens up possibilities for integrating Luhmann’s theory further with the psychological and psychotherapeutic literature.

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Robert Seyfert,
Atmosphären – Transmissionen – Interaktionen: Zu einer Theorie sozialer Affekte

In der Geschichte der Soziologie sind Gefühle, Emotionen und Affekte auf die verschiedenste Art und Weise konzipiert worden. Im sozialpsychologischen Paradigma entstammen Emotionen individuellen Triebwünschen und gewinnen in erster Linie in konflikthaften Auseinandersetzungen ihren sozialen Charakter (Sublimation, etc.). Dem gegenüber bringt die Soziologie der Emotionen die Denkfigur der Interaktion in Anschlag, die es möglich macht ganz neue unpersönliche Emotionen zu konzipieren, Emotionen, die aus zwischenmenschlichen Begegnungen erst hervorgehen. Seit den 1990er Jahren lässt sich nun die Entstehung der Affect Studies beobachten, die mit der Soziologie der Emotionen zwar den interaktionistischen Ansatz teilen, jedoch deren anthropologischen Reduktionismus überwinden wollen. Bei der Entstehung sozialer Emotionen und Affekte spielen nicht nur individuelle Triebwünsche und soziale Stimmungen eine Rolle, sondern auch affektive Atmosphären, die der jeweiligen Umwelt entstammen. Obwohl die vorliegende Arbeit die Ansicht teilt, dass eine Theorie sozialer Affekte die Rolle nicht-menschlicher Elemente zu berücksichtigen hat, hält sie den Atmosphärenbegriff für problematisch, weil er deterministische Tendenzen impliziert und die Spezifizität aller beteiligten Körper unberücksichtigt lässt. Aus diesem Grund wird der Begriff der affektiven Interaktionen vorgeschlagen, der keine undifferenzierte Hintergrundstimmung annehmen muss, sondern die genauen Affektverhältnisse zwischen den anwesenden Körpern beschreiben kann. Dabei steht die Frage im Vordergrund, auf welche Art und Weise die jeweils anwesenden Körper miteinander interagieren (symbolisch, olfaktorisch, elektrisch, akustisch, etc.). Die Beantwortung dieser Frage verweist dann zugleich auf die Konstitution der beteiligten Körper und auf den jeweiligen Affekt, der aus der Interaktion von Körpern hervorgeht. Hinsichtlich affektiver Interaktionen greifen wir auf die Theorie der Transmission von Jean-Marie Guyau zurück, bezüglich des Konzepts des Körpers als distributives Ensemble beziehen wir uns auf Spinoza. Das affektive Milieu, aus dem Affekte entspringen, nennen wir Affektif.

Robert Seyfert,
Atmospheres – Transmissions – Interactions: Contributions to a Theory of Social Affects

In the history of Sociology as a discipline, feelings, emotions and affects have been conceptualized in various ways. Within the paradigm of Social Psychology emotions are related to individual drives, gaining their social character only in situations of conflict (sublimation, etc.). In contrast, Sociology of Emotion introduces the concept of interaction, which makes it possible to conceive of entirely new and impersonal emotions, emotions that emanate from interhuman encounters. Affect Studies, emerging in the 1990s, shares the interactionist approach with Sociology of Emotions, but tries to overcome the anthropological reductionism of the latter. Thus, in the emergence of emotions and affects, what matters are not only individual drives and social moods, but also affective atmospheres that touch a variety of heterogeneous bodies in the respective environments. The present text shares the opinion that a theory of social affects has to account for non-human elements, but we deem the concept of atmospheres problematic, because it implies deterministic tendencies und disregards the specificity of each individual body. For this reason, we suggest the term affective interactions, which does not need to assume an undifferentiated background mood but rather describes the precise affect relations among all heterogeneous bodies. Thus, the decisive question concerns the relations among heterogeneous bodies, and how these bodies interact (symbolically, olfactory, electrically, acoustically, etc.). The answer to this question points at the same time to the constitution of heterogeneous bodies and the particular affects that emerge from their interactions. We deploy Jean-Marie Guyau’s theory of transmission in conjunction with Benedict Spinoza’s concept of the body as a distributive ensemble to elucidate affective interaction. The affective milieu, out of which an affect emerges, will be called affectif.

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Bernhard Miebach,
Computer und soziale Systeme: Strukturelle Kopplung oder Material Agency?

Ausgehend von Luhmanns Konzept der Technik als Form hat sich in den 1990er Jahren eine soziologische Diskussion entwickelt, die den Computer als Maschine und als Medium beschrieben hat. Innerhalb der Techniksoziologie hat sich die Auffassung durchgesetzt, den Computer im Sinne einer Material Agency als Element der soziomateriellen Konfiguration zu betrachten, die sowohl die Maschine als auch die Handlungen der Anwender umfasst. Die neueren systemtheoretischen Analysen halten an dem Modell der strukturellen Kopplung fest, wonach die Maschine nicht Bestandteil des sozialen Systems ist, das den Computer zur Datenverarbeitung und Kommunikation verwendet. Dieses Konzept der strukturellen Kopplung erfordert allerdings mehrere systemtheoretische Erweiterungen: Erstens die Einbeziehung der Telekommunikation mit Internet, zweitens die Umstellung des Technikbegriffs von der funktionierenden Simplifikation fester Kopplungen auf das Theorem selbsterzeugter Ungewissheit und drittens die Rekonstruktion der Computeranwendung innerhalb des sozialen Systems, für die der Begriff Social Interface neu eingeführt wird.

Bernhard Miebach,
Computer and Social Systems – Structural Coupling or Material Agency?

Starting from Luhmann’s form-concept of technology a sociological discussion took place during the years after 1990 describing computers by terms of machine and medium simultaneously. The sociological technology studies regard computers as elements of sociomaterial configurations covering both social interactions and machine operations. Contemporary systems theory keeps hold of the model of structural coupling regarding the computer as an external system. The social system contains the handling of the computer by communication within the social system, but not the machine operations themselves. This concept of structural coupling requires some theoretical extensions: 1. Integration of telecommunication including internet. 2. Replacement of the old technology concept as a functional simplification of strict coupling by the theorem of self-produced indeterminacy. 3. Reconstruction of the handling of computers within the social system by a new model of the social interface, which will be introduced.

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Elena Esposito,
Kann Kontingenz formalisiert werden?

Der Artikel rekonstruiert die Rolle und die Bedeutung des Begriffs der Form in der Theorie sozialer Systeme vom Problem der Autologie aus, also von dem Umstand, dass die für das System verfügbaren Möglichkeiten vom System selbst und von seinen Operationen abhängig sind. Wie kann die Theorie diese Zirkularität und die damit korrelierte Kontingenz berücksichtigen, ohne in Willkür abzugleiten? Könnte ein Kalkül der Formen hilfreich sein? George Spencer Browns Formenkalkül bietet eine Formalisierung der Art und Weise, wie die Operationen (und die Beobachtungen) eines autopoietischen Systems vom System selbst abhängig sind. Er betrachtet jedoch explizit nur die Beobachtung erster Ordnung. Die Figur des re-entry, bei der ein System seine eigene Beobachtungsoperation beobachtet, markiert auch das Ende des Kalküls und den Eingang in einen Bereich der Unbestimmtheit. Um die Beziehungen zwischen verschiedenen Beobachtungsperspektiven zu formalisieren, die sich gegenseitig anerkennen, aber getrennt bleiben, können Gotthard Günthers Überlegungen über Mehrwertigkeit wichtige Anreize anbieten – sie selbst bieten aber keinen Kalkül. Durch Kombination beider Ansätze kann man jedoch einen Ansatzpunkt gewinnen, um die enorme Komplexität der zunehmend verbreiteten Lagen zu behandeln, wobei man berücksichtigen muss, dass die für ein System verfügbaren Möglichkeiten (z.B. die Offenheit der Zukunft) auch von den Operationen des Systems produziert werden, das sich dessen bewusst ist.

Elena Esposito,
Could Contingency be Formalized?

The article reconstructs the role and relevance of the concept of form in the theory of social systems starting from the problem of autology, that is the condition that the possibilities available to a system depend on the system itself and its operations. How can the theory take account of  this circularity and of the related contingency without sliding into arbitrariness? Could a calculus of forms be helpful? George Spencer Brown’s calculus offers a formalization of how operations (and observations) of an autopoietic system depend on the operations of the system itself, but considers explicitly only first order observation. The figure of re-entry, in which a system observes its own operation of observation, also marks the end of the calculus and the entrance into a field of indeterminacy. In order to formalize the relationships between different observation perspectives, that recognize each other but remain distinct, Gotthard Günther’s reflections on polyvalency can offer some stimuli – but they don't offer a calculus. Combining the two approaches, however, one can get a reference to deal with the enormous complexity of the increasingly widespread situations where one must consider how the possibilities available to a system (for example the opening of the future) are also produced by the operations of the system itself, which is aware of it.

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Alihan Kabalak / Markus Rhomberg,
Neutralität der Medien als Systembedingung? Massenmedien und Politik aus den Perspektiven von Systemtheorie und Politischer Ökonomie

Politik in der modernen Gesellschaft ist in der Regel eine massenmedial vermittelte Veranstaltung. Theorien der Politik und politische Theorien dürfen sich diesem Umstand nicht verschließen. Eine der Hauptaufgaben der politischen Kommunikationsforschung ist es, das Verhältnis zwischen Politik, Bürgern und Medien zu analysieren. Wir argumentieren zunächst, dass das in der Medien- und Kommunikationswissenschaft verbreitete Nachrichtenwertkonzept dafür spricht, dass profitorientierte Medienunternehmen in ihrer politischen Berichterstattung um Neutralität bemüht sein müssten. Medienunternehmen sind grundsätzlich keinen Anreizen ausgesetzt, selbst politisch zu steuern. In ihrer Agenda-Setting-Funktion für das politische System und die Öffentlichkeit geben die Medien Themen zur Kommunikation vor und strukturieren so eine politische Agenda. Sie sorgen für einen steten Kommunikationsfluss und Anschlusskommunikationen. Durch ihre Vielfalt können sie verschiedene Meinungen stärken und so politische Debatten quasi als Stellvertreter führen, aber nicht mit dem Ziel der Beendigung aller Konflikte, sondern auf eine Weise, die weitere politische Kommunikationen und die Bereitschaft zu deren Rezeption weiterhin erhält.

Alihan Kabalak / Markus Rhomberg,
Neutrality of the Media as a System Requirement? Systems Theory and Political Economy on Mass Media and the Political System

The mass media and its mechanisms of production and selection play a crucial role in the social construction of political affairs in modern societies. Political theories do have to integrate this perspective in their conceptualization. One of the key tasks of political communication research lies in the analysis of the triangle "politics, citizens and mass media". Our argument is based on the concept of news values and the assumption that the underlying logic of this concept is forcing the media system to be neutral in its communications. In general, media institutions have no incentives to be political themselves, rather by covering issues they structure the political and public debate. Because of its diverse media outlets the media system is able to strengthen different opinions on single issues and therefore to provide a constant flow of communication on issues by quoting reactions on statements. Given these flows it is the underlying mechanism of the media system to provide debates to strengthen its own operations within the system.

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Elke Wagner,
Kulturen des Kritischen. Zum Strukturwandel des Öffentlichen am Beispiel medizinkritischer Publika

Kritik am Arzt als professionelle Autorität hat es in der Geschichte schon immer gegeben. Neu ist aber, wie diese Kritiker in der Öffentlichkeit miteinkalkuliert werden und aufeinander Bezug nehmen: an der öffentlichen Kritik am Arzt werden unterschiedliche Kulturen des Kritischen sichtbar, die sich nicht mehr länger allein im Sinne eines bürgerlichen Meinungsstreits beschreiben lassen. Der Disput über Wahrheitsfragen wird symmetrisiert zum Austausch von Wahrnehmungsfragen; anstelle einer Verknappung von Argumenten zu einem gemeinsam geteilten Konsens stellt sich eine unabschließbare Pluralisierung von Sprechkulturen ein, die eher auf den differenten Ort des Sprechers verweisen als auf gemeinsam zu diskutierende Wissensfragen. Der Beitrag diskutiert diesen Wandel aus einer mediensoziologischen und zugleich praxeologischen Sicht anhand historisch und gegenwärtig unterschiedlicher öffentlicher Diskurs-Praktiken über den Arzt. Kritik wird nicht im Sinne eines öffentlichen Meinungsstreits als gegebene Form vorausgesetzt. Vielmehr wird die praktische Herstellung kritischer Publika nach ihren gesellschaftlichen und medialen Bedingungen befragt. Der Beitrag zeigt, dass Demokratisierung von Öffentlichkeit auch zur Demokratisierung dessen führt, was diese miterzeugt hat: das bessere Argument einer vernünftigen Rede.

Elke Wagner,
Cultures of Critique. On the Structural Transformation of the Public Sphere within the Critical Discourse about Medicine

Historically, the physician as professional authority has always been criticized. But there is a new development in how these critics are acknowledged in public discourse: the critical discourse about medicine nowadays produces different cultures of critique that do no longer fit into the bourgeois dispute of reason. The debating culture in search of better reasons becomes symmetrical to the dealing with emotions and authentic feelings. Public discourse does not restrict its arguments to monolithic reason. Instead there is an endless pluralization of different cultures of speech which seem to refer more and more to different sites of speech than to common questions of knowledge. This paper discusses the change of public discourse using the example of historical and present discourse practices from a praxeological sociological perspective. It questions the presupposition of critique as a dispute of better reason. Instead, this paper concentrates on the practical fabrication of critique and its social conditions. It can be shown that the democratization of the public leads also to the democratization of the practices which once have produced public discourse: the ways of argumentation in reasonable speech.

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Aldo Mascareño,
The Function of Ethics from the Perspective of the Individual

Als Theorie der Moral wird die Ethik zu einer Reflexion darüber, wie der moralische Code auf unterschiedliche gesellschaftliche Zusammenhänge angewendet wird. Dieser Aufsatz versteht ergänzend die Funktion der Ethik als eine lose Kopplung zwischen individueller Motivation und sozialer Selektivität, i.e. zwischen einer individuell skizzierten gesellschaftlichen Projektion und der sachlichen Erfahrung in der Gesellschaft. Als eine lose Kopplung besteht die Funktion der Ethik darin, vor eventuellen Entkopplungen individueller Motivation und sozialer Selektivität zu warnen, so dass eine institutionell nicht akzeptierte individuelle Wünschbarkeit zumindest in der Ethik Akzeptanz findet. Der Aufsatz illustriert dies anhand vier unterschiedlicher Inklusion/Exklusions-Konstellationen.

Aldo Mascareño,
The Function of Ethics from the Perspective of the Individual

As a theory of morality ethics becomes a reflection of how the moral code is applied to different social contexts. In a complementary way, this paper aims to understand the function of ethics as a loose coupling between individual motivation and social selectivity, i.e. between an individualistically shaped projection of society and the factual experience in society. As a loose coupling, the function of ethics is to prevent against eventual decouplings of individual motivation and social selectivity, so that when individual desirability finds no immediate institutional acceptance, it finds it at least in the ethics. The paper illustrates this with reference to four constellations of inclusion/exclusion.

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